Ich spreche von einem Schloss, das so seltsam und so völlig fehl am Platz wirkt, dass ich beim ersten Foto dachte, es sei ein Filmset.
Dann flüsterte mir ein Kollege ganz beiläufig zu: „Du weißt schon, dass es 365 Zimmer hat, oder? Eins für jeden Tag des Jahres.“
Und das war’s. Die Neugier packte mich am Kragen.
Gleich verstehen Sie, warum.
Stellen Sie sich vor, Sie fahren durch die sanften Hügel der Toskana. Weinberge, Zypressen, Sonnenlicht. Die üblichen Postkartenmotive.
Dann plötzlich, aus den Bäumen auftauchend, ein riesiger maurischer Palast. Bögen, Kuppeln, Mosaike. Als hätte jemand ein Stück Granada genommen und mitten in die Landschaft gesetzt.
Das geheimnisvollste Schloss Italiens.
Und kaum jemand hat je gesehen, was sich darin wirklich verbirgt.
Hier beginnt die Geschichte erst richtig.
Im 19. Jahrhundert entschied ein Mann mit einem Namen, der eine ganze Reisepass-Seite füllen könnte – Ferdinando Panciatichi Ximenes d’Aragona –, dass eine gewöhnliche toskanische Villa viel zu langweilig für seinen Geschmack war.
Also baute er sie um. Aber nicht im Stil von Florenz oder Rom oder irgendetwas Italienischem.
Er wollte etwas Exotisches. Traumhaftes. Vielleicht sogar ein wenig Verrücktes.
Und er tat es.
Zimmer für Zimmer.
Farbe für Farbe.
Symbol für Symbol.
Heute fühlt es sich an, als würde man beim Betreten eine andere Dimension betreten.
Der Pfauenraum.
Darüber spricht jeder. Wände, die vor Farben explodieren. Muster, die sich bewegen zu scheinen. Man steht in der Mitte und der Kopf setzt für einen Moment aus, weil es so viel Schönheit auf einmal ist. Ein Freund zeigte mir ein Foto auf seinem Handy… Ich starrte darauf, als wäre es ein Traum.
Der Weiße Raum.
Der totale Gegensatz. Alles weich. Elegant. Ruhig. Man betritt ihn und spürt, wie der Herzschlag langsamer wird, als würde der Raum selbst sagen: „Atme.“
Der Lilienraum.
Kühn. Königlich. Fast theatralisch.
Es fühlt sich an wie ein Ort, an dem einst wichtige Entscheidungen getroffen wurden.
Und denken Sie daran… es gibt 365 solcher Räume.
Manche winzig. Manche großartig.
Manche verstecken noch immer Treppen, die ins Nichts führen.
Manche sind mit Symbolen dekoriert, die niemand vollständig entschlüsselt hat.
Der Marquis war nicht nur ein exzentrischer Künstler. Er war tief in Philosophie, Esoterik und Ideen versunken, die einen die Augenbraue heben lassen und näher heranrücken.
Ja, die Wände sind voller Hinweise.
Astrologische Bezüge. Geometrische Muster. Seltsame Inschriften.
Nichts zufällig. Alles mit Absicht.
Es ist eine Schatzsuche, die sich als Architektur tarnt.
Man kann nicht einfach ein Ticket kaufen und hineingehen.
Das Schloss ist seit Jahren geschlossen. Gesetze, gescheiterte Auktionen, Eigentumsprobleme. Eine Bürokratie, dicker als die Schlossmauern selbst.
All das hat Sammezzano noch unwiderstehlicher gemacht.
Ein verbotener Ort.
Eine Legende.
Menschen versuchen, hineinzuschleichen. Fotografen warten monatelang auf seltene Öffnungen. Freiwillige kämpfen darum, den Traum am Leben zu halten.
Einige Glückliche gelangen bei besonderen Veranstaltungen hinein. Sie kommen fast zitternd zurück, als hätten sie etwas Heiliges gesehen.
Und das ist es, was mich jedes Mal packt, wenn ich über Sammezzano spreche.
Italien ist voller Schlösser. Aber dieses fühlt sich an wie eine Botschaft aus einer anderen Welt.
Eine Erinnerung daran, dass Schönheit kühn, irrational und wunderbar unnötig sein kann.
Eine Erinnerung daran, dass die Vision eines einzigen Menschen Jahrhunderte überdauern kann.
Und auch… eine Erinnerung daran, dass solche Orte verschwinden, wenn wir nicht für sie kämpfen.
Jetzt bin ich neugierig.
Wenn Sammezzano morgen wieder öffnen würde…
Wenn Sie seine 365 Räume durchschreiten, seine Mosaike berühren, den Pfauenraum mit eigenen Augen sehen könnten…
Würden Sie gehen?



